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Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 14:41
von Alexander Kornrumpf
Hey,

ich hab eine Frage zu einer typischen "Mathe für..." Vorlesung, in diesem Fall Chemiker, aber tut ja nichts zur Sache. Durch ca. 95% der VL konnte ich mirch durchwurschteln, aber an manchen Details hapert es, wie ich feststellen musste.

Wie dem auch sei:

Asymptote wird definiert als

ax + b wobei

lim x to infty f(x)/x = a und lim x to infty f(x)-ax = b. Macht ja auch sehr viel Sinn diese Definition.

Konkret gesucht ist die Asymptote von sqrt(4x^2+cos(x))

Der erste Limes existiert und ist 2.

Gefragt ist also die Existenz des Limes von sqrt(4x^2+cos(x)) - 2x.

Wolfram-Alpha sagt es gibt keinen Grenzwert.

Mir ist klar dass wenn cos(x) wegfiele das trivialerweise 0 wäre. Ich habe eine Lösung vorliegen, die als richtig bewertet wurde, in der genau das gemacht wurde, mit der Begründung dass cos(x) beschränkt ist.

Und ich dann so häh?

Ich ging bisher immer davon aus dass sich f(x) an 2x beliebig annähern müsste damit 2x als Asymptote durchgehen würde. Die Funktion dagegen oszilliert ja um 2x und nähert sich demgemäß nie "dauerhaft" weiter als 1. Nach der Logik wäre die konstante Nullfunktion ja eine Asymptote vom Sinus.

Wisst ihr etwas darüber?

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 15:17
von Jörg
Vergiss die grossen Zahlen nicht - dein vorletzter Absatz ist falsch gefolgert.

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 15:31
von CodingCat
Seltsamerweise kriege ich Wolfram|Alpha gerade nicht dazu, überhaupt irgendetwas auszurechnen. Dennoch sollte der Grenzwert existieren, z.B. berechenbar durch Erweiterung:

sqrt(4x^2+cos(x)) - 2x
= [sqrt(4x^2+cos(x)) - 2x] * [sqrt(4x^2+cos(x)) + 2x] / [sqrt(4x^2+cos(x)) + 2x]
= [4x^2 + cos(x) - 4x^2] / [sqrt(4x^2+cos(x)) + 2x]
= cos(x) / [sqrt(4x^2+cos(x)) + 2x]


Letzteres geht eindeutig gegen 0, womit das b gefunden wäre.

Mit dem Sinus alleine und einer Nullasymptote funktioniert das hingegen offensichtlich nicht, wie du bereits selbst festgestellt hast. Das deckt sich mit Jörgs Anmerkung.

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 15:41
von Alexander Kornrumpf
Hmm. Irgendwie bin ich zu blöd.

Ich hab mir jetzt mal sqrt(x^2+1)-x plotten lassen weil das ja aufs selbe hinausläuft. Augenscheinlich geht das Ding gegen 0, was du vermutlich meintest und auch intuitiv Sinn ergibt.

Problem 1: wolframalpha behauptet immer noch lim x gegen infty sqrt(x^2+1)-x = infty, was vergleichsweise schlecht dazu passt.
Problem 2: Angenommen wolframalpha lügt. Wie bestimmt man den Grenzwert davon zu Fuß? Quadrieren hilft mir hier kein bisschen weil die Wurzel nicht verschwindet. Die traurige Wahrheit ist dass ich es nicht gewöhnt bin, mit der Wurzelfunktion zu rechnen.

(Danke Cat)

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 15:51
von CodingCat
Alexander Kornrumpf hat geschrieben:Problem 1: wolframalpha behauptet immer noch lim x gegen infty sqrt(x^2+1)-x = infty, was vergleichsweise schlecht dazu passt.
Achtung, Klammerung: lim x to infty sqrt(x^2+1) - x = [lim x to infty sqrt(x^2+1)] - x. Du willst aber: lim x to infty [sqrt(x^2+1) - x].
Alexander Kornrumpf hat geschrieben:Problem 2: Angenommen wolframalpha lügt. Wie bestimmt man den Grenzwert davon zu Fuß? Quadrieren hilft mir hier kein bisschen weil die Wurzel nicht verschwindet. Die traurige Wahrheit ist dass ich es nicht gewöhnt bin, mit der Wurzelfunktion zu rechnen.
Ist ja bereits geklärt. :)

Übrigens funktioniert das alles auch nur der Wurzel wegen. Wäre f(x) = 2x + cos(x), hättest du genau das von dir im Eingangspost Erörterte, insbesondere keine Asymptote. Die großen Zahlen spielen anschaulich deshalb eine Rolle, weil die Wurzelfunktion die Summe so verbiegt, dass der cos bei großen x immer weniger ins Gewicht fällt.

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 15:53
von Schrompf
Für mein Nicht-Ganz-Studiert-Mathe sieht es so aus, dass für große Zahlen cos(x) immernoch im Bereich -1...+1 ist, also beschränkt, und damit vernachlässigbar im Vergleich zum quadratisch wachsenden Teil. Ich weiß nicht, wie das euer Prof werdet, aber bei uns in der Elektrotechnik hat man dann cos(x) durchgestrichen mit der mündlichen Anmerkung, dass das für x->inf irrelevant wird, und der Rest war trivial lösbar.

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 16:00
von Alexander Kornrumpf
Cat: Dass Wolfram das so klammert wär ich nie drauf gekommen.

Thomas: Es ist ja gar nicht mein Prof. Deren Prof scheint das ja auch durchgehen zu lassen. Ich wollte nur auf die Frage "wieso" eine vernünftige Antwort haben. Insbesondere da man ja auch ohne Taschenspielertricks zum gleichen ergebnis kommen muss. Und da brauchte ich einfach Cats Anstoß um mich zu erinnern dass es so geht. (Was am Rande bemerkt erstaunlich ist, weil Komplexe Zahlen auch Thema waren und man so ja auch das i unter Bruchstrichen loswird. Ich hatte die Verbindung mit Binomi 3 aber nicht schnell genug gezogen)

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 16:03
von CodingCat
Schrompf: Es kommt halt sehr darauf an, wo der cos steht.

lim [sqrt(4x^2+cos(x)) - 2x] = 0

lim [2x + cos(x) - 2x] "=" lim cos(x) existiert nicht.

lim [sqrt(4x+cos(x)) - 2sqrt(x)]
= lim [4x + cos(x) - 4x] / [sqrt(4x+cos(x)) + 2sqrt(x)]
= lim cos(x) / [sqrt(4x+cos(x)) + 2sqrt(x)]
= 0
, obwohl kein quadratisch wachsender Teil.

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 16:29
von Schrompf
Ja, da hab ich mich unklar ausgedrückt. Das cos(x) kann man nur streichen, weil es innerhalb eines sqrt() zusammen mit einem additiven Teil steht. Sieht man doch 8-)

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 16:44
von eXile
Alexander Kornrumpf hat geschrieben:Ich habe eine Lösung vorliegen, die als richtig bewertet wurde, in der genau das gemacht wurde, mit der Begründung dass cos(x) beschränkt ist.
CodingCat hat geschrieben:Die großen Zahlen spielen anschaulich deshalb eine Rolle, weil die Wurzelfunktion die Summe so verbiegt, dass der cos bei großen x immer weniger ins Gewicht fällt.
Schrompf hat geschrieben:Für mein Nicht-Ganz-Studiert-Mathe sieht es so aus, dass für große Zahlen cos(x) immernoch im Bereich -1...+1 ist, also beschränkt, und damit vernachlässigbar im Vergleich zum quadratisch wachsenden Teil. Ich weiß nicht, wie das euer Prof werdet, aber bei uns in der Elektrotechnik hat man dann cos(x) durchgestrichen mit der mündlichen Anmerkung, dass das für x->inf irrelevant wird, und der Rest war trivial lösbar.
Alexander Kornrumpf hat geschrieben:Ich wollte nur auf die Frage "wieso" eine vernünftige Antwort haben. Insbesondere da man ja auch ohne Taschenspielertricks zum gleichen ergebnis kommen muss.
Auf alle diese Fragen gibt es eine Antwort: Das Sandwich-Lemma.

Wir haben \($f(x) = \sqrt{4x^2+\cos(x)} - 2x$\) mit \($\cos(x) \in [-1,1]$\) für \($x \in \mathbb{R}$\). Definiere \($g(x) = \sqrt{4x^2 - 1} - 2x$\) und \($h(x) = \sqrt{4x^2+1} - 2x$\). Wie man sieht, gilt \($g(x) \leq f(x) \leq h(x)$\) für alle \($x \in [0, \infty]$\). Es gilt:
\($$\begin{align}\lim_{x \to \infty} g(x) &= \lim_{x \to \infty} \sqrt{4x^2-1}-2x \\
&= \lim_{x \to \infty} \frac{\frac{\sqrt{4x^2-1}}{2x}-1}{\frac{1}{2x}} \\
&= \lim_{x \to \infty} (-2x^2) \cdot \left(\frac{\frac{8x^2}{\sqrt{4x^2-1}}-2\sqrt{4x^2-1}}{4x^2}\right) \text{ (Satz von L'Hospital)} \\
&= \lim_{x \to \infty} (-2x^2) \cdot \left(\frac{4x^2}{2x^2\sqrt{4x^2-1}}-\frac{\sqrt{4x^2-1}}{2x^2} \right) \\
&= \lim_{x \to \infty} (-2x^2) \cdot \frac{1}{2x^2 \sqrt{4x^2-1}} \\
&= \lim_{x \to \infty} -\frac{1}{\sqrt{4x^2-1}} \\[6pt]
&= \lim_{x \to \infty} -\frac{\sqrt{4x^2-1}}{4x^2-1} \\[6pt]
&= \lim_{x \to \infty} -\frac{\sqrt{\frac{4}{x^2}-\frac{1}{x^4}}}{4-\frac{1}{x^2}} \\
&= \lim_{x \to \infty} \frac{0}{4} \\[6pt]
&= 0\end{align}$$\)
und genauso \($\displaystyle \lim_{x \to \infty} h(x) = 0$\). Also gilt \($\displaystyle \lim_{x \to \infty} f(x) = 0$\) nach Sandwich-Lemma.

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 16:50
von Alexander Kornrumpf
Da sag ich einfach nochmal "danke" an alle Kommentatoren!
Wenn man es sieht ist es total logisch. Aber wenn man ein Brett vor dem Kopf hat hat man ein Brett vor dem Kopf :)

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 16:53
von CodingCat
eXile hat geschrieben:Auf alle diese Fragen gibt es eine Antwort: Das Sandwich-Lemma. [...]
Mit dieser Kette von Äquivalenzen wärst du bei uns aber nicht durchgekommen. ;) Klar lässt sich die Abschätzung des cos mit dem Sandwich-Lemma nutzen, um den Kosinus in der Grenzwertbetrachtung loszuwerden; bei der Eingangsfrage, warum im konkreten Fall überhaupt ein Grenzwert existiert, ist das Lemma jedoch allenfalls Teil der Antwort, da die Wurzeln der unteren und oberen Grenzfunktionen schlussendlich nur unwesentlich einfacher sind als die ursprüngliche Wurzel mit dem Kosinus. :P

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 18:36
von eXile
CodingCat hat geschrieben:Mit dieser Kette von Äquivalenzen wärst du bei uns aber nicht durchgekommen. ;)
Und bei uns erst recht nicht. Kurz nachdem ich den Post oben geschrieben habe, bin ich warm duschen gegangen; und da erschien mir die Lösung mit L'Hospital. Das was da vorher stand, war ja grausam. Da versucht man einmal das rigoros durchzukloppen (und euch Nicht-LaTeX-Barbaren zu bekehren ;)), und dann fällt man so sehr auf die Nase. Vielen Dank für den Hinweis.
CodingCat hat geschrieben:Klar lässt sich die Abschätzung des cos mit dem Sandwich-Lemma nutzen, um den Kosinus in der Grenzwertbetrachtung loszuwerden; bei der Eingangsfrage, warum im konkreten Fall überhaupt ein Grenzwert existiert, ist das Lemma jedoch allenfalls Teil der Antwort, da die Wurzeln der unteren und oberen Grenzfunktionen schlussendlich nur unwesentlich einfacher sind als die ursprüngliche Wurzel mit dem Kosinus.
Da muss ich dir leider widersprechen; bei den beiden Grenzfunktionen hat man den schönen Fall, dass man die Konvergenz bereits an der Monotonie und der Beschränktheit sieht; jedoch bei \($f$\) es auf den ersten Blick unklar ist, ob der \($\lim\inf$\) und \($\lim\sup$\) gleich sind. (Es könnte ja zwei Teilfolgen geben, welche nicht gegen den gleichen Grenzwert konvergieren.) Im Endeffekt muss ich dir sogar im Kern widersprechen: Die Intuition hinter dem Sandwich-Lemma ist genau das, was man braucht, um zu sehen, dass der Grenzwert existiert, d.h. dass \($\lim\inf = \lim\sup$\).

Und auch die nun oben benutzte Regel von L'Hospital ist genau die Intuition: Vom Wachstum her macht ein \($-1$\) unter der Wurzel keinen Unterschied; genauer: Ab der ersten Ableitung macht es keinen Unterschied mehr! Die Grenzwertregeln und -sätze sind eigentlich nur mathematisch festgezurrtes intuitives Verständnis. ;)

Aber aus meiner Tutorentätigkeit weiß ich, dass irgendwie jeder eine andere Vorstellung von Folgen und Grenzwerten hat. Ich will hier nicht irgendwelche intuitiven Erklärungen in euch reinprügeln, ihr sollt mir widersprechen, da (wie man vorhin wieder gesehen hat) ich doch ziemliche Scheiße bauen kann. :)

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 03.08.2012, 19:22
von CodingCat
eXile hat geschrieben:Da versucht man einmal das rigoros durchzukloppen (und euch Nicht-LaTeX-Barbaren zu bekehren ;)), und dann fällt man so sehr auf die Nase. Vielen Dank für den Hinweis.
Die LaTeX-Web-Integration hier friert leider immer noch für 5-20 Sekunden mein Chrome und nebenbei auch mal den gesamten Rechner ein. (Einmalig beim ersten Seitenaufruf, JS Compiler?) Deshalb meide ich die bisweilen.
eXile hat geschrieben:Da muss ich dir leider widersprechen; bei den beiden Grenzfunktionen hat man den schönen Fall, dass man die Konvergenz bereits an der Monotonie und der Beschränktheit sieht; jedoch bei \($f$\) es auf den ersten Blick unklar ist, ob der \($\lim\inf$\) und \($\lim\sup$\) gleich sind. (Es könnte ja zwei Teilfolgen geben, welche nicht gegen den gleichen Grenzwert konvergieren.) Im Endeffekt muss ich dir sogar im Kern widersprechen: Die Intuition hinter dem Sandwich-Lemma ist genau das, was man braucht, um zu sehen, dass der Grenzwert existiert, d.h. dass \($\lim\inf = \lim\sup$\).
Das ist klar, aber es setzt eben voraus, dass der Grenzwert der beiden Grenzfunktionen bestimmt ist, was sich nach meiner kurzen obigen Rechnung nur unwesentlich von der direkten Rechnung mit f unterscheidet. Mit Monotonie und L'Hospital hast du das jetzt natürlich nachgebessert, wobei ich g und h ihre Monotonie und Beschränktheit auch nicht direkt ansehe. ;)
eXile hat geschrieben:Und auch die nun oben benutzte Regel von L'Hospital ist genau die Intuition: Vom Wachstum her macht ein \($-1$\) unter der Wurzel keinen Unterschied; genauer: Ab der ersten Ableitung macht es keinen Unterschied mehr! Die Grenzwertregeln und -sätze sind eigentlich nur mathematisch festgezurrtes intuitives Verständnis. ;)
Ja, da widerspreche ich auch nicht. Schlussendlich ist es natürlich Blödsinn, immer alles von Grund auf elementar nachzurechnen, und die Sätze geben definitiv auch ein gutes Gerüst für die Intuition ab. Dennoch mag ich es, wenn sich Dinge mit sehr kurzen und einfachen Rechnungen direkt zeigen lassen. :)

Re: Asymptote (Mathe für Chemiker)

Verfasst: 04.08.2012, 12:10
von Schrompf
eXile hat geschrieben:(und euch Nicht-LaTeX-Barbaren zu bekehren ;))
Ist Dir bei mir zumindest gelungen. Ich hab mir extra den Quelltext Deines Beitrags angeschaut, um das auch mal zu können.