Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich mich jetzt wirklich beteiligen sollte und damit das Thema noch weiter hoch kochen würde. Aber ich bin immer sehr dafür "Lebensrealitäten" erstmal neutral zu diskutieren und auszutauschen. Auch wenn das heute immer schwieriger wird ohne gleich einen Streit vom Zaun zu brechen. Ich finde es sehr wichtig um andere Menschen zu verstehen!!
Ich habe ja auch die Erfahrung gemacht, und war daher der Meinung, dass man in Deutschland allgemein nur Steine in den Weg gelegt bekommt. Ich bin daher sogar ausgewandert. Als ich das hier mal zum Besten gegeben habe, kamen auch viele andere Meinungen und ich war erstaunt, wieviele hier meine "Realität" nicht nachvollziehen konnten, weil sie halt ganz andere Erfahrungen gemacht haben.
Nun mehr zum Thema:
Ungefähr bis zur Zeit der Uni war ich durch meine eigene Erfahrung eher der Meinung Frauen sind deutlich übervorteilt in unseren Gesellschaft. Sie durften einfach alles machen. Sie hatten formal die gleichen Rechte wie Männer, aber darüber hinaus kamen sie halt auch überall vorteilhafter davon. Ich hab mich sogar mal dazu hinreißen lassen zu sagen, ich wäre lieber als Frau geboren. Ich habe einfach nirgendwo in meiner Umgebung eine Diskriminierung wargenommen, weder in der Familie, im Freundes- oder Verwandtenkreis, noch in der Schule, eher das Gegenteil! Aber ich war wohl sehr behütet aufgewachsen.
Meine erste interessante Erfahrung in dieser Hinsicht war eine Studentenreise nach Russland. Wir waren eine Gruppe von Studenten und Studentinnen und hatten viel Spaß. Aber das ungewöhnlichste Erlebnis hier war ein Diskobesuch. Wir gingen also in die Disko und am Eingang war kostenloser Eintritt für Männer, Frauen mussten dagegen Eintritt bezahlen! Die Frauen, die mit waren, waren dann auch sehr überrascht und wollten dann doch lieber nicht mit in die Disko, da teuer und so. Aber wir Männer wollten gerne. Wir sagten, dass wäre doch auch in Deutschland häufiger so, aber umgekehrt und wir konnten sie überzeugen mitzukommen. Drinnen herrschte dann ein ganz schöner Frauenüberschuss und ich wurde an dem Abend am laufenenden Band angebaggert. Von hübsch, jung, intelligent witzige Anmache, bis alt, hässlich, aufdringlich und belästigend (ungefragt zwischen die Beine greifen) war alles dabei. Insgesamt war das ein sehr angstrengender Besuch, aber eine sehr einprägsame Erfahrung. Es war einfach sehr interessant, das ganze mal umgedreht zu erleben. Es hat mir viel dabei geholfen das andere Geschlecht zu verstehen ;-).
Dann zur Promotion hatte ich das erste mal mit einer Diskriminierung zu tun. Meine Kollegin sagte mir, dass sie sich von ihrem Doktorvater diskriminiert fühlte, weil sie eine Frau wäre. Ich meinte, sie solle mal auf dem Teppich bleiben und ich könne das nicht wirklich glauben. Wie gesagt, ich bin nie in einem Umfeld gewesen, wo eine Frau aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt worden wäre. Ich muss sagen, ich lag ziemlich daneben. Sie hatte absolut recht und ich bin heute noch schockiert und es geht immer noch nicht wirklich in meinen Kopf, dass es tatsächlich Leute gibt, die Frauen Dinge nicht zutrauen oder sie für weniger fähig halten nur aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind.
Im Moment arbeite ich in einer Firma, wo wir etwas mehr Frauen als Männer sind und "mein Chef" ist eine Frau. Also gerade ist das Thema eher nicht so präsent.
Dagegen sprach mich letztens meine Tochter an und meinte "Astronaut", kann ich das auch als Frau werden? Ich war völlig verdutzt und sagte, klar kannst Du das, warum auch nicht. Sie meinte, weil es ja Astronaut überall heißt und nicht Astronautin und ich kenne nur Männer und die Jungs spielen das immer. Also habe ich ihr erstmal berühmte Astronautinnen gezeigt. Ich glaube also schon, dass Vorbilder, wenn auch unterbewußt da eine große Rolle spielen. Ich habe jedenfalls als kleiner Junge nie gezweifelt, ob ich irgendwas nicht werden kann. Das war auch so ein Augenöffner vor kurzem.
Zum Thema Rassismus:
Auch das begegnet mir überaus selten im Altag. Aber okay... vlt bei Dir, da wo Du wohnst... auf dem Land, oder was du vorhin geschrieben hast. Vlt ist da Rassismus ein Thema.
Und Antisemitismus:
Oh Boy!! Davon habe ich ne Menge mitbekommen!! Und es erschreckt mich!! Und ich lehne es aus tiefster Seele ab.
Nur... vom Konzept her.... da sind solche Weltanschauungen mMn nach allzu weit von Theorien entfernt wie ich manchmal hier lese ;)
Hier unterscheiden sich unsere Erfahrungen auch stark. Ich habe viel Rassimuss erlebt, mehr als Frauenfeindlichkeit. Vor allem gegen Afrikaner und Araber. Aber auch schon gegen mich selber (als Deutscher im Ausland). Degegen habe ich absolut noch nirgendwo Antisemitismus erlebt. Das heißt natürlich nicht, dass es das nicht gibt, sondern nur wie unterschiedlich die "Lebenrealitäten" sein können.